Nina Hagen

 

Wie ich das erste Mal Nina Hagen hörte

Bei uns an der Schule, dem Otto-Hahn-Gymnasium in der Waldstadt, waren die oberen Klassen noch damit beschäftigt, die Hippiezeit weiterleben zu lassen. Sie trugen alle lange Haare und Parkas, rauchten ordentlich Weed und waren immer die ersten, die im Rauchereck die besten Plätze einnahmen. Wenn es nämlich regnete, war der Hinterausgang des Gebäudes der einzige Platz, an dem man trocken eine qualmen konnte. An diesem Ort habe ich auch meine erste Ohrfeige von einem fremden Menschen eingefangen.

Wir waren schon ziemlich auf dem Punktrip, aber hatten die Schnauze voll, jeden Tag von irgendwelchen reaktionären Arschlöchern angemacht zu werden, deshalb waren wir alle erstmal umgeschwenkt und rasierten uns die Haare, zogen uns Bomberjacken und Springerstiefel an und waren somit äusserlich als Skinheads einzuordnen. Das regte die alten Hippies noch mehr auf, als irgendwelche Punkkids und wir hatten ein respektableres Auftreten gegenüber anderen Gangs, die sich permanent klopfen wollten.

Auf jeden Fall traf ich eines Mittags auf ein paar der Langhaarabiturienten und zeigte demonstrativ meinen Mittelfinger, worüber einer einen ganz roten Kopf bekam und zeternd hinter mir herrannte, um mich zu vermöbeln. Bekifft rennt es sich nicht so schnell und so musste er aufgeben. Doch am nächsten Tag sah er mich im Rauchereck und tat vor seinen Kumpels gross, kam rüber und knallte mir eine. Ich dachte nur, "was für ein Wichser", seine grossen Kumpels standen ja auch alle dabei, was soll man da machen. Irgendwie hab ich später dann auch Kleinere vermöbelt, was vorher nie vorkam, diese Ohrfeige ist Schuld dran! Auf jeden Fall ist der Typ dann als einziger durchs Abi gerasselt, was mich tierisch gefreut hat - heute noch, hehe!

Nun war aber der Spass vorbei; ich war vorher schon viel mit meiner älteren Schwester auf Partys gewesen und fand manche der Typen auch ganz cool. Einer trug immer eine Lederjacke und drüber eine zerfetzte Jeansjacke mit einem "Rose Tattoo"-Aufnäher auf dem Rücken, das war schon fast Punk. Aber nun hatte ich das Gefühl Feinde zu besitzen und ging denen allen aus dem Weg. In meiner Klasse 8 D (ich glaube, die D-Klassen waren für die Deppen, seit dem Gymnasium war ich nie mehr in einer A-Klasse, erst als ich die Schule wechselte, aber da habe ich gleich repetiert) waren schon die meisten ziemlich rüde. Einer fing mal an, das ganze Mobiliar aus dem Fenster zu schmeissen, leider war das Fenster geschlossen und so flog die grosse Scheibe splitternd raus; das war schon eine coole Aktion, was ich ihm auch steckte und so waren wir zusammen auf dem Nachhauseweg und er meinte, ob ich nicht mit zu ihm kommen wollte. Das Problem war nur der ältere Bruder der eben zu dieser Hippiecilque gehörte, aber er meinte, der sei nicht zu Hause.

Also super, bin ich mit. Die hatten ihre Zimmer unten im Keller nebeneinander, irgendwie cool, ohne direkte Erwachsenenüberwachung und da der grosse Sherwood ja nicht da war, machten wir es uns bei ihm im Zimmer bequem. (Man sah die ganzen Kiefern drumherum von unten und das war schon eine gute Optik.) Ich war ja die ganze Zeit auf der Suche nach Punkmusik, ich kannte erst die Sex Pistols, The Exploited, Dead Kennedys, Tote Hosen, Slime, OHL und unbekannte Bands wie Durchzug oder Stuhlgang, fand aber auch noch Sachen wie Iron Maiden und Deep Purple geil. Also war ich recht angetan von der Plattensammlung und entdeckte ein Cover mit ner Frau drauf, Zigarette rauchend, dunkel geschminkt und ne grosse Fresse. Geil, auflegen! Die Texte waren auch abgefahren, mit viel Scheisse, Ficken und allerhand Kram, den ich noch nicht richtig einordnen konnte, aber der auf ein freies, rotziges, unabhängiges Leben schliessen liess, was halt Punk für mich war. Und die Musik war auch sehr gut; schnelle Rhythmen und verzerrter Sound. That´s how I heard the first time "The Mother of Punk"!





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